Recherchen und Variationen
von Gabrielle Obrist, Kunsthistorikerin, Zürich

Konsequent setzt Reto Casanova sein Œuvre fort, vertieft seine Farb-Forschungen und sucht nach neuen Gestaltungsmodifikationen. So lassen sich in den jüngsten Werken drei Schwer-punkte ausmachen: Relation und Kontrast, Recherchen im Quadrat, Nuancen en série.

Relation und Kontrast
Die querformatigen Diptychen, in welchen Reto Casanova zwei Quadrate nebeneinander setzt oder ein Quadrat mit einem schmalen vertikalen Steifen paart, der sich proportional zur grossen Form verhält, lohnen eine genaue Betrachtung. Denn erst das Erfassen des jeweiligen vielschichtigen Aufbaus lässt die Verwandtschaft der zwei verschiedenfarbigen Teile erkennen. Es liegen beidenorts die gleichen variierten Farbaufträge übereinander, der grosse Unterschied in der Farbigkeit beruht auf der spezifischen Spachteltechnik des Künstlers. Indem er das Aufgetragene bei einem der beiden Teile immer wieder überarbeitet, die Farbe ausgedünnt und auf der Oberfläche mit darunterliegenden Schichten vermengt hat, entstand – verglichen mit der Referenz-Tafel – ein frappant abweichendes Kolorit: Aus der ursprünglichen Analogie der zwei Bildteile ergibt sich ein überraschender Dialog gegensätzlicher Farbtemperamente. Reto Casanova lässt einerseits komplementäre Buntwerte aufeinandertreffen, andererseits stört er unsere auf Harmonie getrimmte Sehgewohnheit durch das Nebeneinander von dumpfen, kompakt wirkenden Flächen und leuchtenden, sich scheinbar zersetzenden Farbfeldern. Diese optischen Irritationen unterstützen die faszinierende Bildwirkung und stimulieren zu wiederholtem Schauen und Ergründen.

Recherchen im Quadrat
Als statisch darf, ja muss, das Quadrat charakterisiert werden; Reto Casanova wählt das schwierige Format, um sich der Herausforderung einer abwesenden Ausrichtung und Dynamik des Bildfeldes künstlerisch zu stellen. Er tut dies mittels variantenreicher Inszenierungen des Quadrats und mosaikartigen Farbaufsplitterungen. So überblendet er, als wären es transluzide Gläser, unterschiedlich verkleinerte Karrees und placiert sie zentriert oder asymmetrisch im Bildquadrat. Diese Werke knüpfen spielerisch an die Errungenschaften der konstruktiven Avantgarde an, so etwa an die Bildfindungen des Stijl, des Bauhauses oder der Zürcher Konkreten.
In seinen Kompositionen kreiert Reto Casanova Formrhythmen, die er durch die Farbsetzungen massgeblich unterstützt. Gar in den Vordergrund tritt der Variantenreichtum der Farbnuancen, wenn die Quadrate in einem Nebeneinander arrangiert sind und sich als Mosaik präsentieren. Solche Fügungen können denn auch als Hommagen an die Strahlkraft einzelner Farben gelesen werden. Der Künstler macht die Materie des Bildes vergessen und lässt etwa an ein leuchtendes Glasfenster denken, durch dessen wechselnden Lichteinfall ein Raum in eine immer wieder veränderte Stimmung versetzt wird.

Nuancen en série
Den Recherchen im Grossen stellt Reto Casanova jüngst Recherchen im Kleinen zur Seite und nutzt die limitierte Fläche des gewählten Papiers zur Auslotung eines formalen wie koloristischen Themas. In Serie präsentiert, fügen sich die einzelnen Bilder zu einem Gesamten, wobei die manchmal integrierten Leerstellen bei der Hängung den Forschungscharakter der Arbeiten verdeutlichen. Vereinzelt lässt sich ferner erahnen, dass künftige Werke Reto Casanovas auch von einem gestischen Impuls geprägt sein werden.



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